In meiner jahrelangen Recherche habe ich mich mit einem wenig bekannten Kapitel der Geschichte beschäftigt: dem Schicksal türkischer Juden während des Nationalsozialismus in den deutsch-besetzten Ländern Europas.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 10.000 türkische Juden in Europa, hauptsächlich in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Griechenland. Viele waren Nachkommen sephardischer Juden, die nach der Vertreibung aus Spanien 1492 im Osmanischen Reich Zuflucht gefunden hatten.
Die Türkei blieb während des Großteils des Zweiten Weltkriegs neutral. Diese Position ermöglichte es türkischen Diplomaten, in besetzten Gebieten zu agieren und ihren Staatsbürgern zu helfen - auch den jüdischen.
Besonders hervorzuheben sind Diplomaten wie Selahattin Ülkümen in Rhodos, Necdet Kent in Marseille und Namık Kemal Yolga in Paris. Sie stellten türkische Pässe aus, organisierten Transporte und retteten hunderte, vielleicht tausende Leben.
Nicht alle Rettungsversuche waren erfolgreich. Das Schiff Struma mit 768 jüdischen Flüchtlingen wurde 1942 im Bosporus festgehalten und schließlich ins Schwarze Meer zurückgeschickt, wo es sank. Nur einer überlebte.
Gleichzeitig führte die Türkei 1942 die Varlık Vergisi (Vermögenssteuer) ein, die überproportional Nicht-Muslime, darunter viele Juden, traf. Wer nicht zahlen konnte, wurde zu Zwangsarbeit verurteilt.
Trotz der Bemühungen einiger Diplomaten wurden viele türkische Juden deportiert. Allein aus Frankreich wurden über 1.000 türkische Juden nach Auschwitz geschickt. Viele kehrten nie zurück.
Diese Geschichte zeigt die Komplexität der Holocaust-Geschichte. Sie zeigt Helden und Versäumnisse, Rettung und Verrat. Als Journalist sehe ich es als meine Pflicht, diese Geschichten zu erzählen - gegen das Vergessen.