Eines der wichtigsten Interviews meiner journalistischen Laufbahn führte ich mit Karekin Bekdjian, dem Bischof der Armenier in Deutschland. Was er mir offenbarte, veränderte meinen Blick auf die Geschichte.
Zum ersten Mal deutete ein hochrangiger armenischer Geistlicher an, dass in der Türkei etwa 500.000 Muslime leben, die noch immer Armenisch sprechen. Diese Menschen sind Nachkommen von Armeniern, die während und nach 1915 zum Islam konvertierten - manche freiwillig, viele unter Zwang.
Während des Genozids an den Armeniern 1915 war die Konversion zum Islam für viele der einzige Weg zum Überleben. Besonders Frauen und Kinder wurden in muslimische Familien aufgenommen und islamisiert.
Jahrzehntelang war dieses Thema tabu. Weder die türkische noch die armenische Seite wollte darüber sprechen. Die einen aus Scham über die Vergangenheit, die anderen aus Angst vor Repressionen.
Heute beginnt eine neue Generation, Fragen zu stellen. In Ostanatolien entdecken Menschen ihre armenischen Wurzeln. Manche lernen heimlich Armenisch, andere suchen nach ihren wahren Familiennamen.
Bischof Bekdjian betonte, dass die armenische Kirche diese Menschen nicht im Stich lassen dürfe. 'Sie sind unsere verlorenen Kinder', sagte er. 'Wir müssen ihnen die Hand reichen.'
Diese Geschichte der verborgenen Identitäten ist kein Einzelfall. Ähnliches geschah mit Griechen, Assyrern und anderen christlichen Minderheiten. Auch bei den Aleviten gibt es ähnliche Phänomene.
Das Anerkennen dieser verborgenen Geschichten könnte ein Schlüssel zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern sein. Wenn wir verstehen, wie verwoben unsere Geschichten sind, können wir vielleicht gemeinsam in die Zukunft blicken.